IPL-Magazin 30 | Januar 2015 | Autor: Prof. Klaus-Jürgen Meier

Kein Mensch ist wie ein anderer. Geschmack und Empfindungen, Hobbies und Kulturen – die Unterschiede sind vielfältig. Die Erkenntnis ist nun wirklich nicht revolutionär. Nach Jahrzehnten, in denen Standardisierung und Massenproduktion die Industrieunternehmen nachhaltig geprägt haben, scheint die Rückbesinnung auf diese Tatsache jedoch einen Kulturschock auszulösen. So wurde Generationen von Managern beigebracht, Variantenbildung ist ein Treiber für Komplexität in Produktion und Logistik und damit eine maßgebliche Ursache für Kosten. Also weg mit Varianten und dem individuellen Kunden! Lean Production hat aufgezeigt, wie sich mithilfe der Lernkurve Prozesse vereinfachen und Produktionsfehler vermeiden lassen. Der Kunde wurde für seinen Einheitsgeschmack belohnt mit günstigen Produkten.
Doch günstige Produkte findet jeder Kunde heutzutage problemlos im Internet. Ob die Produktion nun in China, Indien, Brasilien oder innerhalb der EU erfolgt, ist dem Kunden immer mehr egal. Wer kann das ohnehin schon so genau nachvollziehen? Zur Diversifizierungsstrategie der Zukunft dürfte für viele Unternehmen deswegen die Diversifizierungsstrategie der Vergangenheit werden. Will man sich nicht einreihen in die endlose, globale Kette anonym produzierender und damit beliebig austauschbarer Betriebe, so muss dem Kunden das für ihn maßgeschneiderte Produkt angeboten werden. Ein Mehrwert, den das Internet auch nur schwer zu leisten vermag. Denn Kundennähe und ein tiefgreifendes Kundenverständnis sind dafür die Voraussetzung. Die globale Vergleichbarkeit wird ersetzt durch eine enge (lokale und emotionale) Kundenbeziehung. Die Folge für Unternehmen: Das Massenprodukt weicht dem kundenindividuellen Produkt. Anstelle der Standardisierung tritt die Flexibilisierung der Prozesse. Optimierungs-ansätze der letzten 20 Jahre müssen überdacht werden. Nicht nur Produktion und Logistik müssen angepasst werden, sondern der Aufbau des gesamten Unternehmens.
Die Flexibilisierung der Prozesse steht jedoch nicht für chaotische Prozesse. Auch für flexible Prozesse gilt, dass sie einfach und transparent ablaufen müssen. Die Frage ist nur, wann läuft ein Prozess zum wiederholten Male ab? Damit wird deutlich, auch die starre Organisation muss einer flexiblen Organisation weichen. Es wird verständlich, warum gerade für Großunternehmen damit tatsächlich ein Kulturschock drohen dürfte. Kleine, bewegliche und selbststeuernde Einheiten haben klare Vorteile gegenüber der Konzernstruktur. Schnellboote ändern schneller ihren Kurs als der Supertanker.
Oder ist es aus Ihrer Sicht vielleicht doch bequemer, Ihren Unternehmensstandort in ein Billiglohnland in Fernost zu verlagern?